Die Popularklage ist eine bayerische Besonderheit. Sie erlaubt es jedem Bürger, die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm des bayerischen Rechts geltend zu machen und so ihre Aufhebung zu erzwingen. Eine solche Möglichkeit gibt es in keinem anderen Bundesland.
Rechtsgrundlage für die Popularklage ist Art. 98 Satz 4 der Bayerischen Verfassung, der dem Verfassungsgerichtshof die Kompetenz gibt, Rechtsnormen als verfassungswidrig einzustufen: „Der Verfassungsgerichtshof hat Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken.“ Dieser Satz ist zunächst einmal relativ unscheinbar und sagt noch nichts über das genaue Verfahren, insbesondere über die Antragsberechtigung aus. Die näheren Bestimmungen ergeben sich daher erst aus dem einfachen Gesetz, nämlich aus Art. 55 des Verfassungsgerichtshofsgesetzes (VfGHG).
Klagegegenstand ist jede Rechtsnorm des Freistaats oder einer Kommune, also von einer gemeindlichen Satzung bis hin zu einem Landesgesetz. Grob gesagt kann jede staatliche Festlegung angefochten werden, die allgemein gilt und jeden Bürger in einem bestimmten Rahmen betreffen kann. Nicht relevant ist aber, dass man auch tatsächlich selbst betroffen ist.
Nicht mit der bayerischen Popularklage angefochten werden können jedoch behördliche Einzelfallregelungen (Verwaltungsakte) oder gerichtliche Entscheidungen. Für diese gibt es die fachspezifischen Rechtsmittel und schließlich die bayerische Verfassungsbeschwerde. Diese wiederum setzen stets voraus, dass man selbst davon betroffen ist. So kann ich bspw. nicht den Steuerbescheid anfechten, der gegen meinen Nachbarn ergangen ist.
Popularklage auch ohne Betroffenheit und Frist möglich
Für das Kernkriterium der Verfassungswidrigkeit kommt es nicht darauf an, dass der Kläger selbst betroffen ist. Es ist also nicht entscheidend, dass sein persönliches Grundrecht verletzt wird. Es reicht schon, dass in irgendeiner Form ein Grundrecht eines (beliebigen) Bürgers betroffen sein könnte. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur Verfassungsbeschwerde. Notwendig ist aber ein tatsächlicher Grundrechtsverstoß. Eine bloße Gesetzeswidrigkeit oder die Verletzung eines anderen Rechts, das kein einklagbares Grundrecht ist, reicht nicht aus.
Außerdem ist die Popularklage nicht fristgebunden. Weder die Monatsfrist (bzw. in Bayern: Zwei-Monats-Frist) der Verfassungsbeschwerde, noch die Jahresfrist der kommunalverfassungsrechtlichen Normenkontrolle gilt. Die erlaubt in aller Regel eine sehr gründliche, nicht vom Einreichungsdatum getriebene Bearbeitung. Auch die Nachreichung von Argumenten, die bei der Verfassungsbeschwerde fast völlig ausgeschlossen ist, ist problemlos möglich. Selbstverständlich sollte man trotzdem zu einer zügigen Klageerhebung greifen, um die Angelegenheit bald einer Klärung zuzuführen.
Einzige zeitliche Grenze ist die Verwirkung, die als Ausnahme aber nur in seltenen Fällen greift. Die Popularklage kann verwirkt werden und damit unzulässig sein, wenn sie lange Zeit nicht ergriffen wurde, obwohl es sich für den späteren Kläger bereits aufgedrängt hätte. Das ist bspw. dann der Fall, wenn eine Rechtsnorm von vornherein nur für einen recht überschaubaren Zeitraum gelten sollte und die Klage dann kurz vor Außerkrafttreten der Norm erhoben wird. Dann fragt sich der Verfassungsgerichtshof, warum er sich ausgerechnet jetzt noch mit Grundrechtsverletzungen beschäftigen soll. Eine solche Verwirkung wird aber nur sehr selten angenommen.
Verfassungsgerichtshof prüft Übereinstimmung mit Bayerischer Verfassung
Über die Popularklage entscheidet der bayerische Verfassungsgerichtshof. Das Verfahren geschieht fast immer in schriftlicher Form, eine mündliche Verhandlung ist kaum notwendig, da es nur um rechtliche Fragen geht und keine Beweisaufnahme o.ä. vonnöten ist. Der VfGHG kann die Klage abweisen oder die Norm für verfassungswidrig erklären und aufheben. Gegen das Urteil gibt es dann kein Rechtsmittel, insbesondere ist das Bundesverfassungsgericht keine „Berufungsinstanz“ gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs.
Insgesamt ergibt sich durch die Möglichkeit der Popularklage eine ganz besondere Sprengkraft: Jede Person, ob Bayer oder nicht, kann sich zum „Verfassungsschützer“ machen und eine Verletzung von Grundrechten angreifen und aus der Welt schaffen. Die teilweise bestehende Schwierigkeit, eine eigene Betroffenheit darlegen zu müssen, besteht hier nicht.
Auch muss man nicht, wie bei der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, zunächst den Vollzug des Gesetzes abwarten und dann den oft ermüdenden Rechtsweg über die Zivil- oder Verwaltungsgerichte durchzugehen. Die Popularklage kennt keine Subsidiarität, sondern kann unmittelbar ergriffen werden. Dies kann unter Umständen ganz erhebliche Kosten sparen.
Genaue Darlegung des Verfassungsrechts notwendig
Aufgrund der weitreichenden Möglichkeiten dieses Rechtsbehelfs wird die Popularklage in der Praxis relativ restriktiv gehandhabt. Eine Grundrechtsverletzung muss sehr genau dargelegt werden und insbesondere muss sich der Antragsteller damit auseinandersetzen, wie der Gesetzgeber oder die Behörde die Rechtsnorm begründet hat. Die dort meist enthaltene Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen muss genau analysiert werden, um die Popularklage erfolgversprechend formulieren zu können.
Rechtsanwalt Thomas Hummel ist im gesamten Verfassungsrecht tätig und übernimmt auch die Einreichung und Begründung einer Popularklage für Sie. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung mit verfassungsrechtlichen Verfahren kann er unmittelbar die in Frage kommenden Grundrechte bewerten und so eine möglichst erfolgversprechende Popularklage formulieren.
Wegen der Notwendigkeit einer intensiven Begründung und Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung fallen allerdings erhebliche Kosten für die Arbeit der Kanzlei an. Vor Beginn der Tätigkeit erhalten Sie natürlich eine verbindliche Zusage, welches Honorar hier anfallen wird. Grundsätzlich müssen Sie mit aufgrund des erheblichen Aufwands an die Darlegung der Verfassungswidrigkeit mit einigen tausend Euro rechnen.
Die Gerichtskosten für Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof betragen bis zu 1500 Euro (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG). Diese werden nach dem Ermessen des Gerichts festgesetzt und insbesondere in komplizierteren Sachen auch durchaus ausgeschöpft.
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(Letzte Aktualisierung: 26.10.2022)